Geschichte der Volksdorfer Schulkate von 1752 bis 1990
1684 begann in der hamburgischen Exklave Volksdorf (seit 1437 als nie eingelöster Pfand in hamburgischem Besitz) auch die Zeit des Schulunterrichts. Der Unterricht fand für die wenigen
Bauernkinder, deren Eltern es sich leisten konnten, zu Hause beim Schuster Michel Kohmann in dessen Kate "In de Grund" (heute "Dorfwinkel") statt. Damals übernahmen meist Schuster oder Schneider die Arbeit eines Schulmeisters, um ihr kärgliches Einkommen aufzubessern. Bereits ein Jahr später durfte er sich eine eigene Kate zum Wohnen und Unterrichten bauen. 1748 war der Schulmeister Jochen Kohmann - wieder ein Kohmann, wieder ein Schuster - alt
geworden. Die Dorfkinder brauchten einen neuen Lehrer
- und damit
auch gleich eine neue Schule. Denn auch die Kate war in die Jahre
gekommen. Inzwischen gab es die Schulpflicht und
damit reichte die Stube eines Schusters oder Schneiders für die nun
größer gewordene Schar an schulpflichtigen Kindern nicht mehr aus.
Doch die Gemeinde konnte sich keinen Schulbau leisten.
1752 zu
Anfang des Jahres war der Hamburger Kaufmann und Senator Boetefeur
zum Waldherren, dem für die hamburgischen Walddörfer zuständigen
Senator, ernannt worden. Er hatte die Nöte der Bauern erkannt. Er half
überall, wo die Sorgen am Größten waren. Mit seiner Hilfe und seinem
Geld wurde ein Schulneubau in Volksdorf möglich. Bereits im selben Jahr
wurde das Gebäude oben auf dem heutigen "Kirchberg", einem von zwei eiszeitlichen
Sandhügeln, den Heidbergen, errichtet
(nach Errichtung der Schulkate bis zum Bau der ev.luth. Rockenhofkirche 1952
"Schulberg" genannt; der zweite Heidberg wurde 1912 als
Grundlage für den U-Bahnhof umgestaltet).
Dieses neue Schulhaus wurde 1752 noch ganz in der hergebrachten Tradition
eines bäuerlichen, strohgedeckten Wohnwirtschaftsgebäudes im Typus des
niederdeutschen Zweiständer-Fachhallenhauses (Fachwerkhaus) erbaut.
Im Wohnteil, dem Kammerfach, befanden sich eine Wohnstube und eine
Schulstube (3,90m x 5,20m). Im hinteren Teil des Hauses, dem Flett und
der Groot Deel, konnte der Schulmeister - nach wie vor hauptberuflich Schuster oder
Schneider - in einfachstem Stil bäuerlich wirtschaften.
Vom Schulgeld allein
konnte ein Schulmeister auch nach Einführung der Schulpflicht nicht leben. Das Schulgeld kam spärlich ein. Weiterhin verdiente er sich als Schuster
oder Schneider seinen Unterhalt. Der Schulmeister genoss im Dorf wenig Ansehen und war gezwungen, ein
ärmliches Leben zu führen. Die Kinder besuchten den Unterricht nur unregelmäßig, mussten viel auf dem elterlichen Hof helfen, kamen oft nur
im Winter und bezahlten nur bei Anwesenheit. Erst durch
die Landzuteilung im Rahmen der Verkoppelung 1799 wurde der Lehrer wirtschaftlich
besser gestellt. Jetzt erhielt er 78 Quadratruten Gartenland zur persönlichen
Nutzung. Das entsprach dem Besitz einer Brinksitzerstelle, einem Helfer auf einem
Bauernhof, mit eigenem Haus und etwas Land.
1828 zeigte es sich, dass die Schulkate
baufällig geworden war. Da die Schule ohnehin zu klein geworden war,
entschloss man sich zu einem Neubau, der nun wirklich einer Schule
entsprach. Die Kate von
1752 wurde auf Abbruch verkauft.
1830 fand sich der Ohlstedter Vollhufner (Bauer mit
einem vollwertigen Hof, im Gegensatz zum Halbhufner und Brinksitzer mit geringerem Landbesitz) Cord Hinrich Bock (der ca. 1832 die Schmiede in Wohldorf erbaute) als Käufer. Er kaufte die Kate am
20.7.1830,
brachte das Abbruchmaterial nach Ohlstedt und baute die Kate an der
Alten
Dorfstraße 23, Ecke Melhopweg wieder auf.
Eine wechselvolle Geschichte
begann. Sie ist nur in Teilen bekannt. So ist leider unbekannt, wann
die
Kate um ein Fach mit dem Schaugiebel (Vollgiebel am Witschaftsteil,
statt
des üblichen Krüppelwalms) verlängert wurde. Die geänderte Konstruktion
ist heute noch im Dachraum erkennbar!
1983 hatte der Heimatforscher Alf Schreyer (1915 - 1993) mehrere Artikel zur Geschichte der Schulkate veröffentlicht. Rechtzeitig vor dem Abriss der Kate und deren endgültigem Ende auf einer Kippe berichtete die Vereinsschrift des Bürgervereins Walddörfer, "Das Waldhorn",
dem dieser Text hier zu Grunde liegt, in seiner Ausgabe
Nr.2/83
davon. Hierauf beschloss die Initiativgruppe Johanna Hedrich, Christel
Soethe, Jochen Beckmann und Architekt Dietrich Raeck, die Kate zu
retten,
sie fachmännisch abzutragen und für einen Wiederaufbau einzulagern.
Insgesamt fanden sich 42 freiwillige Helfer, die beim Abtragen des
Hauses
stunden- oder tageweise mit Hand anlegten! Selbst die Ziegelsteine
wurden einzeln ausgebaut, gereinigt und auf Paletten gelegt. Noch musste das Reet vom Dach entfernt werden, dann kamen Zimmerleute und ein
Kran, die das inzwischen nummerierte Fachwerkgerüst vorsichtig
auseinander nahmen. In nur einem Monat und einem Tag (Mo.2.5.-Fr.3.6.1983) war die Arbeit geschafft.
Glücklicherweise
hatte das Denkmalschutzamt Hamburg die Kate vorher aufmessen lassen. So standen gute Planunterlagen zur Verfügung. Die Hölzer konnten auf den damaligen hamburgischen Staatsgütern Wulksfelde bei Tangstedt (Fachwerk) und Wulfsdorf bei Ahrensburg (Türen und Fenster) sowie die Mauersteine (auf Paletten) beim
Amalie-Sieveking-Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf gelagert
werden.
Was keiner ahnte, die Suche nach einem
geeigneten
Standort und die Finanzierung des Wiederaufbaus zogen sich
sechs Jahre hin. Aus der Initiative musste ein Verein werden, um mit der Liegenschaft der Stadt Hamburg über den Erwerb
eines Grundstücks verhandeln zu können. 1986 wurde der "Verein zur Erhaltung der ehemaligen Volksdorfer
Schulkate von 1752 e.V." gegründet (2004 umbenannt in "Verein Schulkate Volksdorf
e.V."). Nach dem Abschluss des Mietvertrags mit dem Bierverlag H.u.K. Bohnhoff aus Duvenstedt über Räume für Gastronomie im Erd- und Obergeschoss am 8.12.1988, konnte endlich am 7.3.1989 der bereits vorbereitete Erbbaurechtsvertrag mit der Freien und Hansestadt Hamburg unterzeichnet werden. Sogleich ging es mit den Arbeiten unter
der Leitung des Volksdorfer Architekten Dietrich Raeck los!
1989 bei heftigem Regen waren bereits
am 18.2.1989
die riesigen Balken in Wulksfelde per Hand auf einen alten Laster
aufgeladen und nach
Volksdorf transportiert worden. Den Wiederaufbau des Original-Fachwerks
übernahm
der Fachwerk-Restaurator Bodo Vogel aus Ottersberg (Projekte von ihm sind Nähmaschinenhaus Lange Reihe 61,
Baron-Voght-Instenhäuser am Jenisch Park, Rugenbarg 10, Valentinskamp 34, Holzdamm 41, Kirche
Nienstedten, Schloss Wörlitz, Dominsel Brandenburg, div. Gebäude auf Föhr u.v.a.m.). Nur
wenige Ergänzungen und
Ausbesserungen
waren notwendig. Die Hölzer befanden sich in einem überraschend guten
Zustand.
Drei Eichen hatte der Volksdorfer Förster Bergner an den Bocksbergen bereits für die Schulkate fällen lassen. Sie wurden in dem Sägewerk Peemöller
in Ahrensburg-Tiergarten auf Maß zugeschnitten. Die großen Findlinge (eiszeitliche Natursteine) unter den Schwellen bekamen wir vom Ausgrabungsgelände des 1806 abgerissenen Doms neben der Hamburger Hauptkirche St.Petri. Sie wurden per LKW nach Volksdorf
geschafft; die kleinen Findlinge wurden von Helfern am Lottbeker Stauteich (Stausee) und an den Bocksbergen aufgelesen
(daher "Lesesteine" genannt). Die Original-Ziegelsteine
wurden per Menschenkette von Mitgliedern des NABU, Ortsgruppe
Walddörfer,
am Amalie-Sieveking-Krankenhaus auf ein Treckergespann des letzten
Volksdorfer Bauern, Claus
Ferck VII, auf- und an der Baustelle "Im Alten Dorfe" wieder abgeladen (die
Paletten waren nach sechs Jahren Lagerung nicht mehr für den Transport geeignet).
Die Firma Albert Gehrmann GmbH aus Berne
baute die Steine im Innern der Kate wieder ein. Dort sind sie heute noch
sichtbar!
Außen mussten neue Steine verwendet werden. Sie wurden von einer
belgischen Ziegelei im Sonderformat gebrannt. Die Eingangs-Pflastersteine stammen
von dem Feld westlich der Bocksberge beim Bredenbeker Teich. Sie
brachte ein Treckergespann des Demeter-Hofes
"Gut Wulfsdorf" nach Volksdorf.
Das Richtfest mit Grundsteinlegung wurde am Fr. 30.6.1989 mit geladenen Gästen feierlich begangen. Die in Barmbek alt eingessene Sanitärfirma Walter Reyher GmbH spendete die
handgefertigte Kassette. Sie wurde mit
diversen, für die Nachwelt interessanten
Unterlagen, wie geschichtlichem Abriss, Aufmaß- und Bauplänen,
Tageszeitungen, den Wochenblättern "Heimat Echo" und "Markt"
gefüllt. Die Kassette wurde verlötet und unter dem Schornstein
eingemauert. Die Ansprachen
hielten der Leiter des Denkmalschutzamtes, Prof. Dr. Fischer, wohnhaft
in Volksdorf, und der Heimatforscher Alf Schreyer aus Ohlstedt.
Der Chor der Grundschulschule Ahrensburger Weg sang und die Freiwillige
Feuerwehr Volksdorf gab Erbsensuppe aus.
Das Reetdach konnte erst im Herbst 1989
von
der Firma Klaus Steenbock aus Duvenstedt eingedeckt werden. Danach gab es für die weiteren
Bauarbeiten eine trockene Baustelle. Der Innenausbau und die
Einrichtung des
Restaurants
dauerte noch bis zum folgenden Frühjahr. Am 1.3.1990 eröffnete
der aus Volksdorf stammende Ahrensburger Wirt Uli Schult
im Erdgeschoss sein Bier-Restaurant EULENKRUG (benannt nach einem ehemaligen Krug an
der Chaussee von Ahrensburg - damals noch Woldenhorn genannt - nach Wandsbek, der Landstraße, die jeder noch als B75 kennt, die nun aber ihren Status als Bundesstraße verloren hat, dort am
Abzweig der Eulenkrugstraße nach Volksdorf, der bis vor einigen Jahren weiter nördlich lag).
1990 im November erfolgte die Einweihung der vereinseigenen Räume im Dachgeschoss (Veranstaltungsraum, Pantry, WC). Der Eigentümer der Schulkate, der "Verein zur Erhaltung der ehemaligen Volksdorfer Schulkate
von 1752 e.V." gestaltete ein einwöchigen Programm.
Seitdem wird der Raum von Vereinen (wie Kulturkreis Walddörfer), Gruppen (wie Bündnis Volksdorf), Privatpersonen (wie Kunstkreis) und Gewerblichen (wie Musikalische Früherziehung für Kinder)
genutzt.
Der NABU - damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz DBV
genannt - stiftete die Erstausstattung des Mobiliars und pflegte jahrelang den Außenbereich
außerhalb des Grundstücks. Die Pflege des Grundstücks ist Sache
des
Wirts.
Die Geschichte ab Bezug der Schulkate 1990 finden Sie unter Chronik
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